Zu einem Meister kam der Abt eines wohlbekannten Klosters und klagte ihm sein Leid. Das Kloster war einst berühmt, hatte grossen Zulauf, und war mit Leben erfüllt. In den letzten Jahrzehnten gab es immer weniger Mönche und kaum noch Nachwuchs. Es war sehr still geworden und nur ein paar Mönche waren geblieben, die trübselig ihren Aufgaben nachgingen.
Nun frage der Abt „Ist das Kloster wegen unserer Sünden in solch einen Zustand geraten?“
„Ja“ sagte der Meister „und zwar wegen der Sünde der Ahnungslosigkeit.“
„Und was ist das für eine Sünde?“
„Einer von Euch ist der wiedergekehrte Buddha – verkleidet – und ihr merkt es nicht!“
Damit wandte sich der Meister wieder ab.
Der Abt ging verwirrt davon.
Buddha mitten unter ihnen und sie erkannten ihn nicht? Und wer konnte es sein? Der Koch ?
Der Verwalter? Der Gärtner? – nein, der nicht, der hatte zu viele Fehler.
Aber vielleicht waren gerade die Fehler die „Verkleidung“? Und außerdem: Bei genauerer überlegung hatte ja jeder im Kloster seine Fehler.
Als er wieder im Kloster war, berichtete er den Mönchen, was er gehört hatte. Ungläubig schauten sie einander an: Buddha hier? Unglaublich ! Aber in Verkleidung ! Wenn es nun der oder der? Oder der dort drüben ? Oder ….
Sie konnten es nicht wissen. Also bemühten sie sich, jeden mit besonderer Achtung und Rücksicht zu behandeln. „Man kann nie wissen“ sagten sie sich, wenn sie miteinander zu tun hatten, „vielleicht ist es gerade der!“
In der Folge herrschte in dem Kloster eine ansteckend fröhliche Stimmung – jeder wurde mit äußerstem Respekt und besonders liebevoll behandelt. Binnen Kurzem gab es enormen Zulauf – und das Kloster blühte wieder auf
(Quelle: Anthony de Mello, Warum der Schäfer jedes Wetter liebt, Freiburg 1989)


