Schmuggel

Es war einmal ein Grenzwächter. Der hatte seinen Beruf lange Jahre ausgeübt und war sehr stolz auf seine Arbeit.

Eines Tages kam ein Mann auf dem Fahrrad an die Grenze – am Gepäckträger und auch am Lenkrad hatte er grosse Körbe voll Sand befestigt. Jeder andere Grenzwächter hätte ihn durch gewinkt, nicht aber so unser Grenzer. Er zauberte einen Kamm hervor, den er genau für solche Anlässe aufgehoben hatte, und durchkämmt den Sand genau. Nachdem er aber nichts fand, liess er den Mann durch.

Das gleiche wiederholte sich am darauf folgenden Tag und am Tag danach. Es ging so weiter – nie fand er etwas, und doch liess er es sich auch nie nehmen, den Sand aufs Genaueste zu untersuchen, Tag für Tag, 30 Jahre lang. Eines Tages sprach der Grenzbeamte den Mann an: „Erlauben Sie mir eine Frage zu stellen, die mich schon endlos lange verfolgt. Heute ist nämlich mein letzter Arbeitstag, und dann werde ich in Ruhestand gehen. Die ganzen Jahre hindurch habe ich Sie für einen Schmuggler gehalten. Bitte, ich muss es einfach wissen: Sind Sie ein Schmuggler?“

Der Mann zögerte, woraufhin ihm der Grenzbeamte versicherte: „Machen Sie sich keine Sorgen – ich gebe Ihnen mein Wort, dass Ihnen nichts passiert. Nur will ich endlich die Wahrheit wissen.“

„Na gut,“ sagte der Mann. “ Ich bin wirklich ein Schmuggler!“ – „Aha“, sagte der Grenzer, „Wusste ich es doch! Aber ich habe Ihre Körbe doch jeden Tag durchsucht und nichts gefunden ausser Sand. Was haben Sie eigentlich geschmuggelt?“ – „Na Fahrräder natürlich!“

(nach: Joel ben Izzy, Der Geschichtenerzähler oder das Geheimnis des Glücks, Freiburg 2005

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